Die Sonne scheint bei Tag und Nacht, Eviva Hannover…
Zumindest schien sie, als sich der 96-Kölsch-Trupp um kurz nach 10 Uhr am Sonntagmorgen vor dem Kölner Hauptbahnhof einfand. Dank der DB (im Volksmund auch Deutsche Bahn genannt und für sowohl Pünktlich- als auch Zuverlässigkeit bekannt) zog sich der Aufenthalt am HBF eine geschlagene Stunde hin. Zeit zum Reflektieren. Zeit für zwei wichtige Lektionen. 1. Wenn der Vertrag von Mirko Slomka ausläuft und er nicht verlängert, dann ist das so. Im wahren Leben enden Arbeitsverträge auf dieselbe Art und Weise. 2. Wenn im Dschungelcamp schon Sarah, die Topmodelkandidatin und Froonck, der Weddingsplaner rumlaufen, warum dann nicht auch Corinna, der 96-Fan. Danke Cori! Als Björn dann endlich eintraf, strahlte Herkel. Und als Axel eintraf, fuhr der gute Herr Schaffner vom Alternativ-Zug gerade los. War wohl kein 96-Fan, denn alle Überredungskünste, doch bitte zu warten, verpufften wie Kölner Fangesang im Wind.
Mit Bier und Brötchen eingedeckt setzte sich der Zug nunmehr pünktlich um 11.32 Uhr in Bewegung. Da an besagtem Sonntag auch der FC in Lautern antreten musste, waren wir nicht die einzigen Fußballbegeisterten. Nur hören konnte man sie nicht, die Kölner… Als Tabellen-16.ter singt es sich wohl nicht mehr so frei von der Leber weg. Apropos Leber… Das Bier floss, die Landschaft zeigte sich fortwährend von ihrer schönsten Seite und Marvin entdeckte das Meer, welches sich beim genaueren Hinschauen als der Rhein erwies. Fürst(in) René musste nunmehr feststellen, diesen prächtigen Anblick von Bergen und Wasser nie zuvor gesehen zu haben. Nicht mal auf der Hinfahrt nach Mainz im November 2010. Warum? Simple Antwort: Wegen der Dunkelheit… Und das am helllichten Tag. Nachdem die Meute auf dem ersten Abschnitt der Zugreise noch ziemlich zurückhaltend agierte, wurden jetzt die ersten Gesänge angestimmt. In Peru in den Anden flogen die ersten Geier – und plötzlich waren da diese als Mexikaner getarnten Tuba – und Posaunenspieler. Auch hier wird es sich um Fans anderweitiger Vereine gehandelt haben (NICHT Eintracht Braunschweig!), sodass alles Ermutigen und Vorsingen für die Katz war. Nach nur einer Station beschlossen die Mexikaner das Feld zu räumen, dabei wären 96-Fangesänge untermalt von lieblichen Posaunenklängen wohl das Tüpfelchen auf dem „i“ gewesen. Um einiges besser (oder auch schlechter) machte es das Zugtoiletten-Duo im Karohemd, die Wildecker Christmas-Buben mit ihrer Interpretation von „Wir lieben dich 96“. Dieses „Walking in a Winter Wonderland“ wird bestimmt nochmal ein Riesenhit. Nach wie vor ein Rätsel ist das Talent, mit dem der Leadsänger gesegnet war. Innerhalb von kürzester Zeit entstand ein ganzes „Best-of-Album“, Texte wurden verinnerlicht und lauthals mit gegrölt. Faszinierend.Auf dem letzten Drittel des Hinweges mussten wir schließlich ohne Toilette auskommen, was bei selbigem Bierkonsum von vornerein zum Scheitern verurteilt war. Hannes, Corinna und ich stürmten bei der Ankunft am Stadion die nächstbeste Frankfurter Kneipe. Bitterböse Blicke waren die Folge, Hannes wurde sogar bis auf das stille Örtchen verfolgt. Und das alles wegen einer ordnungsgemäß aufbewahrten Bierflasche.Mit fünfminütiger Verspätung passierten wir die Einlasskontrollen an der Kommerzbankarena. Auf der Tribüne dann die erste Überraschung. Statt Florian Fromlowitz steht der junge Ersatztorhüter Ron-Robert Zieler im Kasten der Roten. Ansonsten spielt 96 mit der Top-Elf, in Frankfurt kränkelt die Innenverteidigung. Ich fühle Farben an mir vorbeiziehen, hatte ich mir doch geschworen, nie mehr vor oder während eines Fußballspiels Alkohol zu mir zu nehmen. Ein Mitglied der Brigade Nord schwenkt gefühlte 90 Minuten ohne Unterbrechung eine Riesenfahne. Dem müssen irgendwann die Arme wehtun, denke ich bei mir und möchte mich Manu mitteilen. Die reagiert gar nicht erst. Komisch. Es dauert nicht lange, da klingelt es zum ersten Mal im Tor der Eintracht. Mohammed Abdellaoue in der 15. Minute nach schönem Passspiel von Sergio Pinto, kühl links vorbei an Torwart Nikolov. Kurz darauf scheitert Emanuel Pogatetz per Kopf, die daraus resultierende Ecke wird zur Vorlage für Christian Schulz. Tooor. 2:0. 21. Minute. Wahnsinn! Die Fans feiern, die Frankfurter Wand wird von Minute zu Minute stiller. Die erste Halbzeit vergeht wie im Fluge. 96 demonstriert das Erfolgsrezept der vergangenen Monate. Einer für alle, alle für einen. Jeder arbeitet für den anderen, vorne wird nicht lang gefackelt. Halbzeitpause. Durchatmen. Zur Verwirrung der Gästefans haben die Frankfurter den aktuellen Hit von Ducksauce „leicht“ umgewandelt. Barbra Streisand ist mal eben raus und dürfte not amused darüber gewesen sein.Rein in Hälfte zwei. Sergio Pinto trifft nach Vorarbeit von Didier Ya Konan nur den Innenpfosten, der Nachschuss von Abdellaoue landet am Außennetz. Hannover verteidigt gut, besonders der junge Zieler kann sich das ein oder andere Mal auszeichnen. Gegen Amanatidis und Caio pariert der 21-Jährige stark.
Ya Konan setzt nach Flanke von Lars Stindl den Schlusspunkt unter eine gute Partie von Seiten der Roten. 3:0 in der Nachspielzeit. Die 96-Spieler sprinten Richtung Gäste-Fanblock. Axel und Hannes sprinten ihnen im Rausch entgegen. Kurz danach ist Schluss – 96 ist erster Dortmund-Verfolger. Mit einer Differenz von nur einem Tor plus. Das muss uns erstmal einer nachmachen. Die Kurve feiert, singt „Oh, wie ist das schön“.Auf dem Weg zum Bahnhof sahen wir uns dann einigen Problemen ausgesetzt. Welche Richtung ist denn nun die Richtige? Erste oder zweite rechts abbiegen? Und warum eskortiert uns der Typ von der Johannitern (keine Ahnung mit welchem Gefährt der junge Mann unterwegs war) nicht zum Bahnhof? Nach etlichem Hin und Her saßen alle (inklusive Philipp) in der Bahn gen Hauptbahnhof – und präsentierten den Frankfurtern eine kleine Kostprobe unseres musikalischen Könnens. René versuchte sich dabei als Klaas und darf nach einem dreimaligen „Ja“ mit in den Recall. Supi René! Am Bahnhof nochmal schnell mit Bier und Essen eingedeckt konnte die knapp vierstündige Fahrt dann losgehen. Ganz im Zeichen unserer #34, Konstantin Rausch, entwickelte sich diese innerhalb kürzester Zeit in einen einzigen Rausch. Axel hatte ein paar „Frankfurt-Fans“ erspäht, die komischerweise nicht singen wollten. Als nach mehrmaligem Auffordern immer noch nichts passierte, nahm Andreas das Zepter in die Hand, sang glücklich eine Ode auf diesen wunderbaren Fußball-Nachmittag und teilte zum Abschluss den „Frankfurt-Fans“ mit, dass nur ihre Gesichtsausdrücke ihn zu dieser Höchstleistung animiert hatten. Dass die „Frankfurt-Fans“ einfach vier arme Jungs auf Rucksack-Tour waren, das bemerkte zunächst niemand. Erwähnenswert war sicherlich auch unser lieber Herr Zugbegleiter, seines Zeichens ehemaliger Hannoveraner, der die Betitelung seiner Tätigkeit doch ziemlich genau nahm. So „begleitete“ er jeden von uns auf die Toilette („Ich schließe ihnen die Tür auf und warte davor“) und vergaß auch nicht, uns regelmäßig daran zu erinnern, wie hoch der Auswärtssieg in Frankfurt eigentlich ausgefallen war. Bis auf einen kleinen Zwischenfall ein angenehmer Zeitgenosse.Axel stellte dann auch irgendwann fest (aus Erfahrung, wie er betonte), dass es keine gute Idee sei, die Leverkusen Karten jetzt noch zu verteilen….Und so tuckerten wir unseres Weges, bis Philipp, der ebenfalls mal das stille Örtchen aufsuchen wollte, lange Zeit nicht wiederkam. Auf die Frage, was er eine halbe Stunde auf der Toilette gemacht habe, berichtete er von einem seltsamen Frankfurter Pärchen, welches begeistert davon sei „nicht-gestellte“ Fotos von sich machen zu lassen. Keine 20 Minuten später stand besagter Herr, erstmal ohne Herzdame, plötzlich vor uns und stimmte Lieder an. Lieder über Fortuna Köln (irgendwas mit Mailand) und natürlich den kompletten Text des legendären Toten-Hosen-Songs über die Bayern. Dazu trank er Faxe. Passte farblich zu seinem Trikot und ich fand, es hatte etwas von Motoröl. Als Hannes später das von Axel geforderte „Eviva Hannover“ anstimmte, tanzte unser Frankfurt-Fan, als sei er selbst eine Kastagnette. Wer dies nicht glauben mag, der solle sich doch bitte das dazugehörige Video anschauen. So schien die Sonne bei Tag und Nacht, der Pegel stieg. Und so deckten wir uns (ich weiß nicht mehr, wo wir umsteigen mussten) ein letztes Mal mit Bier ein. Im nächsten Zug dann die Überraschung. Ein nettes, kleines Abteil nur für uns inklusive Toilette, die dann auch noch funktionierte und gleichzeitig zum Raucherkabuff umfunktioniert wurde – ein Traum. Und da 96-Fans immer auf alle Situationen vorbereitet sind, wurde kurzerhand eine improvisierte Limbo-Stange installiert. Super, dachte sich auch Herkel und zeigte gleich mal allen, wo eigentlich die Grenze ist. So tanzten wir fröhlich Limbo die ganze (na gut, die halbe) Nacht – Herkel ließ frei nach Joe Cocker auch den Hut auf bei diversen Tanzeinlagen (welchen Hut?) und erinnerten uns immer mal wieder daran, was wir eigentlich sind. Nämlich Spitzenzweiter.Abschließend bleibt zu sagen, dass wir ihn noch einmal trafen, unseren Frankfurt-Fan. Nämlich da, als er neben seiner Freundin vor einem Mülltonne am Kölner Hauptbahnhof stand und dort hinein pinkelte. Auswärtsfahrten mit 96-Kölsch sind und bleiben legendär und solange das so bleibt, kann man festhalten: „Die Sonne scheint bei Tag und Nacht …“
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