Auswärtspunkte verdoppelt – soweit die gute Nachricht. Die schlechte: Hannover 96 hätte seine Auswärtsausbeute vervierfachen können – wenn nicht sogar müssen. Aber der Reihe nach: ein Ausflug in die aufstrebende Fußballprovinz.
Sinsheim, ein 35.000 Einwohner-Städtchen im Nordwesten Baden-Württembergs war bisher nur wenigen wegen seines Auto- und Technikmuseums bekannt. Doch gegenüber des an der A6 Mannheim – Heilbronn gelegenen Museums mit seinen Concorde-Flugzeugen auf dem Außengelände wurde eine neue touristische Attraktion erbaut.
30.169 Zuschauer – also fast ganz Sinsheim – finden dort in einem neuen Fußballtempel Platz. Und auch wenn draußen groß SAP dran steht, so heißt das Rund doch ‘Rhein-Neckar-Arena’.
Seit Beginn der Rückrunde der Saison 2008/2009 ist die Arena Heimspielstätte des Bundesligisten TSG 1899 Hoffenheim, der am 21.März 2009 die Roten Riesen aus Hannover zu Gast hatte.
Doch leider konnten die Hannoveraner ihrem Spitznamen keine Ehre machen. Sie standen zum Zeitpunkt des Aufeinandertreffens nach 24 Spieltagen mit nur drei Punkten Vorsprung auf die Relegationsplätze auf dem 13. Rang. Insgesamt hatte Hannover 96 nur 25 Punkte geholt, lediglich einen davon auf fremdem Platz.
Ganz anders sah es beim Aufsteiger Hoffenheim. Auf Platz 5 mit 43 Punkten machte sich das Team von Ex-96-Trainer Ralf Rangnick berechtigte Hoffnungen auf die Qualifikation zum internationalen Geschäft. Bei 11 Heimspielen hatten die Hoffenheimer von 33 möglichen Punkten 26 geholt.
Dazu kam noch, dass 96 das Heimspiel deutlich mit 2:5 verloren hatte. Die Aussichten für das schlechteste Auswärtsteam der Liga waren also denkbar schlecht.
Dennoch machte sich ein Dutzend „96 Kölsche“ auf den Weg in den Regierungsbezirk Karlsruhe. Mit einem Pkw und einem 9-Sitzer mit Stern ging es um 9.15 Uhr in Köln-Ehrenfeld los. Für die rund 300 Kilometer lange Anfahrt waren wir mit Frikadellen, Süßkram und drei Kisten feinstem „Herrenhäuser“ gut gerüstet.
Dazu hatten wir gut abgemischte Musik an Bord, die auch den ein oder anderen 96-Klassiker aufwies. So sangen wir gerade das Niedersachsenlied als wir den letzten Passagier, sujo, am Frankfurter Flughafen an Bord nahmen.
Sinsheim erreichten wir zur Mittagszeit. Vor Ort wurden wir auf einen Parkplatz geleitet, der nur etwa zehn Gehminuten von der Arena entfernt lag. Bis zum Anpfiff genossen wir die Märzsonne und „erst mal´n Herry“.
Gegen drei traten wir dann den Fußmarsch über die A6 zur Arena an. Alle Karten für das Spiel waren verkauft, so dass um das Stadion herum einige tausend Autos und Busse parkten. Eine Anreise mit der Bahn wird erst ab 2011 annehmbar, wenn das Stadion einen S-Bahn-Anschluss bekommt.
Wir hatten Plätze direkt unter dem Dach in Nordosten der Arena. Auch der Gästeblock war voll. Alle waren wohl auch in der Hoffnung angereist, dass die „Roten“ Punkte entführen könnten, denn die TSG hatte große Verletzungssorgen. Unter anderem fehlten Ibisevic, Salihovic, Ba und Obasi.
Aber auch 96 hatte zahlreiche Ausfälle zu verkraften: Tarnat, Schulz, Fahrenhorst, Schlaudraff und Vinicius fehlten. Deshalb musste Andreasen als Innenverteidiger neben dem bisher glücklos agierenden Eggimann auflaufen.
In den ersten 20 Minuten verkraftete der Gastgeber seine Ausfälle viel besser. Der Aufsteiger machte ordentlich Druck und ging durch einen Strafstoß von Teber verdient in Führung. Lediglich die Entstehung des Elfmeters war kurios: Beck war von rechts in den Strafraum eingedrungen, verließ aber für einen kurzen Moment das Rechteck und wurde just in diesem Moment von Rausch umgegrätscht. Es war eine Zentimeterentscheidung, doch Schiesrichter Stark entschied ohne Zeitlupe auf Elfmeter.
Zum Glück konnte Hanno Balitsch nach Freistoßflanke von Bruggink nur zwei Minuten später ausgleichen. Danach war bis zum Pausenpfiff spielerisch wenig los. Enke musste einmal gegen Beck parieren, Bruggink rutschte nach schöner Vorarbeit von Pinto am Ball vorbei.
Einmal sah Schiri Stark nicht richtig hin, als er einen Ellbogenschlag von Luiz Gustavo gegen den in der Freistoßmauer stehenden Bruggink übersah. Gustavo wurde zwar nach dem Spiel für zwei Begegnungen gesperrt. Brachte 96 aber leider nichts, denn statt 50 Minuten Überzahl hieß es bis zum Abpfiff 11 gegen 11.
Nach der Halbzeit hatten beide Teams jeweils eine Riesenchance: Andreasen köpfte nach Bruggink-Flanke knapp neben das Tor und Carlos Eduardo scheiterte freistehend an Nationaltorwart Robert Enke.
Kurz darauf musste Rangnick bereits ein zweites Mal auswechseln. In Halbzeit 1 war Ibertsberger mit Innenbandriß vom Platz gegangen. Nach 56 Minuten verließ Jaissle mit Kreuzbandriß das Spielfeld.
Knapp 20 Minuten später war es dann wieder ein Freistoß von Arnold Bruggink, der für Gefahr sorgte: die hohe Flanke in den Hoffenheimer Strafraum konnte Eggimann, der aufgrund einer Platzwunde am Kopf mit weißem „Turban“ spielte, zum 2:1 per Kopf einnetzen.
Die Stimmung im Auswärtsblock war jetzt natürlich richtig gut. Auch ohne Bier – im Gästeblock gab es nur alkoholfreie Getränke und labbrige Leberkäsebrötchen – gingen die Mitgereisten gut ab.
Bis zur 84. Minute. Denn da ließ der eingewechselte Wellington Bastian Schulz leicht aussteigen und schob unhaltbar für Enke zum Ausgleich ein.
Beim Keeper konnten wir uns dann aber noch bedanken, dass es überhaupt noch einen Punktgewinn gab, denn bei Tebers Lattenschuß und vor allem gegen Sanogo in der 89. Minute stand Enke seinen Mann und wurde nach Abpfiff wieder einmal zu Recht gefeiert.
Nach dem Spiel war es dann die übliche Diskussion: „Ein Punkt gewonnen oder zwei Punkte verloren?“ Natürlich war Hoffenheim an diesem Tag schlagbar, aber wir einigten uns darauf, dass wir vor dem Spiel mit einem Punkt zufrieden gewesen wären und uns deshalb auch nach dem Spiel nicht grämen wollten.
Wir verabschiedeten uns wieder von unserem Präsidenten, der die Hin- und Rückfahrt mit dem „Rote Kurve“-Bus angetreten hatte. Zurück auf dem Parkplatz versteckten sich dann hinter unserem 96-Kölsch-Dutzend ein paar „Fans“ von Hannover, die die Fans der Gastgeber wohl „gereizt“ hatten und nun Angst vor der Überzahl der Hoffenheimer bekamen. Zum Glück waren Fanbeauftragte der TSG zugegen, so dass es keine Handgreiflichkeiten gab.
Wir reihten uns also gesund und munter in den Sinsheimer Heimreise-Stau ein und wurden auf der Suche nach Fahrtbier im örtlichen Supermarkt fündig. Flensburger ploppte auf der Rückreise gen Köln und verkürzte uns mit der Reportage vom Meisterschaftstriumph 1954 die Reise.
Nachdem wir erneut einen Zwischenstopp in der Nähe des Frankfurter Flughafens (in Offenbach) für sujo gemacht und den Restweg singend und schlafend verbracht hatten, kehrten wir am Abend in Köln noch in der Taxifahrer Kneipe „Bei Lena“ ein, wo wir den Abend mehr oder weniger angeschlagen ausklingen ließen.
Unser Dank gilt den Fahrern Daniel, Gereon und Axel und wir sind uns sicher, dass eine Reise in dieser Form sicher nicht die letzte gewesen ist. Hoffentlich weiterhin in Liga 1.
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