Hannover 96 – VfB Stuttgart 2:1 (1:0) am 10.12.2010 um 20:30 Uhr

Zeit für eine kritische Selbstreflexion?

Beginnen wir diesen Bericht am frühen Sonnabend Morgen, gegen 12:15 Uhr. Telefonat mit Muttern. Frage: „Wann biste denn gestern nach Hause gekommen?“ Antwort: „Och, Du… hmmmmmm… phhhhhhh….jaaahaaa, ich bin nach Hause gekommen…..bitte frag mich nicht nach Details…“

Und damit zurück zur Eingangsfrage. Ich bin jetzt einund… nein, zweiundvierzig Jahre alt. Ein Alter, in dem man sein Leben geregelt haben sollte. Frau, Kinder, Haus und Hund, solche Sachen eben. Und den Freitag Abend sollte man damit verbringen Gassi zu gehen, „Lena-Sophie“ und „Kevin-Max“ ins Bett zu bringen und abschließend mit der Angetrauten bei einem Glas Rotwein „Ein Fall für Zwei“ zu schauen – aber danach dann auch ins Bett, denn Samstag wird der Wagen (Volvo Kombi) gewaschen.

Statt dessen kommt man irgendwann Samstags zu sich, die Hose sieht aus, als wäre man irgendwo im Kampfeinsatz gewesen und der Gesamtzustand lässt sich am treffendsten mit dem Wörtchen „indisponiert“ umschreiben.

Und jetzt die Frage: Ist das gut??? Antwort: Ja, das ist gut!!! Schließlich gibt es ja einen Grund für diese eher unreife Verhaltensweise – 31 (in Worten: EINUNDDREISSIG) Punkte noch vor der Winterpause! Genial, sagenhaft, unbeschreiblich – es gibt keine adäquaten Worte, um die derzeitige Gefühlswelt des gemeinen 96-Fans darzustellen. Aber der Reihe nach. Es ist Freitag 12:50 in Köln-Deutz. Allerhöchste Zeit, um in die geilste Stadt der Welt aufzubrechen. Schließlich harren dort unaufschiebbare gesellschaftliche Verpflichtungen meineer. Also machte ich mich im Vertrauen auf Gott und die Deutsche Bahn auf dem Weg zum Bahnhof. Und tatsächlich war mir das Schicksal gewogen. Nach 3:05 Std. erreichte ich den gelobten Hauptbahnhof in Hannover. Was sofort auffiel, war das etwas in der Luft lag. Nicht nur, dass es gleich viel besser roch als in Köln, nein da war noch was, was nur schwer greifbar war. Dieses Gefühl, das man vor dem Gang ins Stadion hat. Aber halt ganz anders. Kein „Bittebitteliebergottlassunsdiesendreierholenweilessonstganzganzekligwird“-Knoten in der Magengegend, stattdessen, nun ja, Vorfreude! Optimismus! Ich ruhte, einem buddhistischen Mönch gleich, geradezu in mir selbst. Und das keine fünf Stunden vor dem Anpfiff. Jaja, 96 verschafft einem derzeit eine ganz neue Lebensqualität.

Also noch flugs erledigt, was zu erledigen war und dann warm eingepackt auf in Richtung Stadion – mit einer kleinen Stippvisite in der Markthalle vorweg, schließlich war früher auch nicht alles schlecht. Im Stadion dasselbe Stimmungsbild. Keine Halsschlagadern dick wie Baumstämme, keine zu Grimassen verzerrten Gesichter, auch kein kollektives Aufstöhnen, wie von einem gepeinigten Tier. Nein, wohin man auch sah, herrschte gelassene Erhabenheit – oder war es erhabene Gelassenheit? Egal, streiten wir doch uns nicht um Worte. Die Roten taten jedenfalls einiges, um die gute Grundstimmung zu erhalten. Klar spielbestimmend wurde der Druck auf die schwachen Stuttgarter sukzessive erhöht, bis es nach einer halben Stunde soweit war. Der Pass in die Spitze konnte von Schmiedebach nicht unter Kontrolle gebracht werden – machte aber gar nix, denn unser ivorischer Wunderstürmer war da und netzte locker zum verdienten 1:0 ein.  Führung also zur Halbzeit – „läuft“ würde Stromberg jetzt sagen.

In HZ 2 passierte erst einmal nicht viel, bis Sergio Pinto fies von einem Heckenschützen niedergestreckt wurde. Das Foul war so versteckt, dass es wirklich von überhaupt niemand erkannt wurde – inklusive Pinto selbst. Und so ging das Spiel seinen Gang, bis, ja bis es plötzlich 1:1 stand. Das war unser Torwart. Tut mit leid Flo, solltest Du das hier lesen. Du hast schon viele gute und sehr gute Spiele für 96 gemacht – aber in dem Augenblick sahst Du einfach wie jemand aus, der in einem Preisausschreiben gewonnen hatte und jetzt einmal Torwart in einem Bundesligaspiel sein durfte.

Sei es drum, bevor man sich richtig ärgern konnte, waren die Verhältnisse auch schon wieder zurechtgerückt. Plötzlich stand Ya Konan allein vorm Torwart und schob ihm den Ball, als wäre es die einfachste Übung der Welt, durch den Tunnel zum 2:1 ins Tor. Der Mann wird mir langsam unheimlich.  Fernsehbilder zeigten später, dass das Tor aus einer Abseitsposition heraus erzielt wurde. Aber wer arbeitet macht Fehler sage ich immer und darum möchte ich dem Schiedsrichter und seinen Assistenten in diesem Fall nichts nachtragen. Der Rest vom Spiel ist schnell erzählt. Stuttgart versuchte etwas mehr zu tun (weniger ging auch nicht), wurde aber nur selten gefährlich. Die Roten müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, einen Haufen bester Gelegenheiten zum Konter etwas schluderig ausgelassen zu haben. Das hätte es für den VfB durchaus noch bitter werden können.

Na egal, ein Pferd, das muss springt auch nicht hoch (oder so ähnlich) und Platz drei mit ausgeglichenem Torverhältnis hat ja auch irgendwie viel Schönes. So konnten wir dann also zur intensiven Nachbesprechung und zur gruppendynamischen Verarbeitung des gerade durchlebten kommen. Nachdem sich also  RK-Container noch Manu, Hannes und Jan einfanden (Alex ist ja eh immer da), wurde noch beschlossen die heimische Gastronomie in diesen schweren Zeiten zu unterstützen. Zunächst geschah das in der „Klickmühle“, wo wir das Spiel noch einmal im Fernsehen betrachten und analysieren konnten. Bei dieser Gelegenheit verabschiedete sich Manu. Ich hoffe natürlich inständig, dass nicht unser (oder insbesondere mein) Benehmen dafür ursächlich verantwortlich war.

Der Rest zog noch wild entschlossen zum Steintor, wo sich dann langsam mein Bewusstsein verabsch….nein, das stimmt so auch wieder nicht. Im Grunde handelte es sich um ein philosophisch-astrophysisches Erweckungserlebnis. Raum und Zeit hörten auf, für sich zu existieren und verschmolzen sozusagen zu einer Art  Metadimension.  Boooahhhh ey, voll krass ey…

Und auch sportlich war ich noch voll auf Augenhöhe. Erinnert sei nur an meinen perfekt aussgeführten Telemark im „Rocker“. Danach hatte ich auch nichts mehr zu beweisen und beschloss, mich zurückzuziehen.

Tja Leute, so ist das heutzutage als 96-Fan. Lasst uns die Situation in vollen Zügen genießen, wer weiß, wie lange sie anhält.  Aber um noch einmal auf den Anfang zurückzukommen. Ja, Frau, Kind , Haus und Hund wären schon ganz schön. Aber das wäre die Champion League auch. Und träumen wird man ja noch dürfen. Soll uns bitte nur keiner zu ernst nehmen.

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