Nach einer fast durchzechten Nacht weckte mich Samstag morgen der verdammte Wecker. Leichte Orientierungslosigkeit, Schädel, Übelkeitsgefühl…aber egal 96 spielt auswärts, da heißt es fit werden! Moment, das war einmal. Man tausche Bundesliga gegen Regionalliga West, unsere alte Liebe gegen den Verein, der selbst in Liga 4 über 10.000 Menschen ins Stadion bringt und hat einen Plan für den Samstag. Die Jungs aus Köln hatten sich angekündigt und so hieß es abermals: fit werden und Stauder für den Mob einpacken.
Um 11.50 Uhr empfing ich Buschmann und Daniel am Hauptbahnhof Essen. Standesgemäß hatte Buschmann zur Anreise in die Hauptstadt des Ruhrgebiets das Diplom abgelegt und präsentierte stattdessen direkt sein neues Mobiltelefon inklusive WhatsApp. Wie sich Zeiten und Menschen doch ändern können…
Da wir nicht die einzigen sein wollten, die am HBF ohne Bierkanne auf die Busse ins Hafengebiet warteten, hieß es wieder ran ans kühle Gold. Man will ja nicht negativ auffallen. Schon hier bekamen die Besucher aus dem fernen Land einen ersten Einblick, was uns heute erwarten sollte: eine Reise in die Vergangenheit des deutschen Fußballs.
Ich hatte die Jungs motiviert extra früh aus der Rheinmetropole anzureisen, um die örtlichen Spezialitäten ausgiebig zu erleben. So gesellte man sich zwei Stunden vor Spielbeginn ans Hafenstübchen in Sichtweite zum Stadion. Alles was Rang und Aussehen hat, muss hier vorbei. Außerdem gibts Bratwurst vom Holzkohlegrill und das Stauder im “Aus dem Fenster Verkauf”. Die Zeit bis zum Anpfiff verplemperte man mit Anekdoten erzählen, Stauder konsumieren und dem wehmütigen Blick in alte Zeiten: Wirkliche Kutten, Vokuhilas, Peter-Neururer-Gedächtnisbärte, jede Art von biligem Halstattoo, Oppas, Normalos sowie Hools und Ultras kreuzten unsere Blicke. Manche mögen froh darüber sein, dass sie so etwas im deutschen Profifussball nicht mehr sehen müssen, wir waren froh, dass es so etwas noch gibt. Eine Mischung, die viel Spaß versprach. Übrigens kein Wunder bei ermäßigten Plätzen von 5 Euro! Ob es die von Daniel erwähnte Hartz-4 Kasse noch gibt, konnten wir leider nicht in Erfahrung bringen.
Vor Spielbeginn noch ein Foto mit Helmut Rahn und dann gab es das gesamte Repertoire Essener Stadionmusik zu hören sowie einen Stadionsprecher, der bei seinen Ansagen fast kollabierte. Ich meinte, kurzfristig eine Träne in Buschmanns Auge erkannt zu haben. Die Oberhausener beglückten uns daraufhin mit einer ansehnlichen Pyroeinlage und den üblichen Hassgesängen. Das Spiel wurde verspätet angepiffen und was die Presse später daraus machen sollte, war jetzt schon klar.
Wir sahen in der ersten Halbzeit vier Tore in einem sehenswerten Kick mit unglaublich schlechten Defensivreihen. Das Stauder mundete die gesamten 90 Minuten und als Essen in der zweiten Halbzeit einen 2-4 Rückstand noch ausgleichen konnte, explodierte die Hintertortribüne. Die Gästespieler aus Oberhausen, die sich dort aufwärmen sollten, waren zu diesem Zeitpunkt schon längst hinter ihr eigenes Tor geschickt worden. Diverse Bierduschen, Alltagsgegenstände und Speichel waren immer wieder auf sie niedergegangen, ohne dass der Schiedsrichter ein Erbarmen zeigte. Schließlich wurden sie vom Sicherheitsdienst erlöst, der für ebendiese nicht mehr sorgen konnte.
Zu erwähnen bleibt, dass Daniel bei einem fünfminütigen Klobesuch zwei Tore (oder war es doch nur eins?) und eine Rote Karte erpinkelte. Generell war jeder Klobesuch eine Reise wert, da man auf dem Hin- und Rückweg eine Reise durch die 3. Halbzeit antreten konnte.
Am Hafenstübchen diskutierte man noch einige Minuten das Geschehene, genoß ein letztes Pils und entdeckte dann auf einmal in Gabys “Fanartikelverkauf” diverse Leckerchen. Und so besitzen nun alle Reisenden ausreichend Kuttenaufnäher gegen den Messeparkplatz.
3 von über 11.000 Zuschauern in der Regionalliga West.
Die Presse berichtete am nächsten Tag von Ausschreitungen beim Derby Essen gegen Oberhausen.
Bundesliga auf Sky hatten wir verpasst.
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